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nearbuy goes Hessen. Teil 2.

Im Herbst 2022 sind wir mit 4 Veranstaltungen durch die 4 hessischen Regionen rund um Kassel, Fulda, Wiesbaden und Marburg getourt. Nach unserem Zwischenbericht, erzählen wir hier von den letzten beiden Veranstaltungen.


Dritter Halt: Bauernhof Dörr

Nach einer Verschnaufpause ging die Rundreise am 07.11.2022 auf dem Bauernhof Dörr in Wiesbaden weiter. Verstärkt durch Bettina Gies, Stadträtin der Landeshauptstadt Wiesbaden, die sich für die Unterstützung der Stadt für die Gestaltung regionaler Ernährungssysteme aussprach, haben wir gemeinsam mit Sander Hoogendamm und Anna Bernhardt von der Ökomodell-Region Nassauer Land die Chancen der regionalen Zusammenarbeit in den Fokus gerückt. Michael Dörr vom Bauernhof Dörr, Thomas Walter von der Betriebsgastronomie der R+V Versicherung und Ralf Schaab vom Hof Erbenheim haben im Gespräch Schwierigkeiten angesprochen und Lösungen gesucht. Alle Teilnehmenden haben von ihren Erfahrungen und Lösungswegen berichtet und die Geprächsrunde bereichert.


Eine gemeinsame Basis schaffen

Im Zentrum stand vor allem die Frage, wie die Bedürfnisse der Großabnehmer*innen mit denen kleiner, regionaler Betriebe übereinkommen. Ein wesentlicher Schlüssel ist die Entwicklung gemeinsamer Routinen als Alternative zum Beharren auf eingefahrenen Prozessen, die nicht zusammenpassen. Nur gemeinsam können Prozesse entwickelt werden, die sich in den Arbeitsalltag aller Beteiligten gut integrieren lassen und das gegenseitige Vertrauen aufbauen. Das braucht Zeit und eine offene Kommunikation darüber, was für wen notwendig und möglich ist, sowie eine Brise Flexibilität.


Nehmen wir das Beispiel der Anlieferzeiten. Hier können Flexibilität und Vertrauen einen großen Unterschied machen: Großküche A bietet Mittagsverpflegung an und arbeitet vor allem am Vormittag. Sie will Kartoffeln und Karotten von Betrieb B in ihren Speiseplan aufnehmen, die an einem bestimmtem Ort gelagert werden sollen. Betrieb B möchte während der Winterzeit die wenigen hellen Stunden nutzen, um dringende Aufgaben auf dem Hof zu erledigen, und würde gerne Nachmittags ausliefern. Durch einen Vertrauensaufbau und gemeinsame Absprachen wird Betrieb B der Schlüssel zum Lager ausgehändigt sowie eine Einführung in das Lagersystem gegeben, so dass eine unabhängige, flexible Lieferung durchgeführt werden kann. Ein Kompromiss, der alle Bedürfnisse integriert.


Schritt für Schritt zum regionalen Speiseplan

Die Zeit für den Aufbau regionaler Partnerschaften und gemeinsamer Prozesse kann gut genutzt werden: Durch eine schrittweise Einführung regionaler Produkte erhalten die Köch*innen in der Großküche die Möglichkeit, sich mit den Verwendungs- und Zubereitungsmöglichkeiten zu befassen, und die Essensgäste werden an ein vielfältiges regionales Speisenangebot herangeführt. Gleichzeitig ist die sukzessive Einführung regionaler Produkte in den Speisenplan eine Chance für Anbieter*innen, die (zunächst) nur geringe Mengen liefern können.


Eine Idee, die im Gespräch aufkam: Überraschungsgerichte anbieten. So können überschüssige Produkte aus der Region verwertet und die Gäste langsam an Produkte aus der Region herangeführt werden.


Gemeinsam können Abnehmer*innen und Anbieter*innen die Menge der regionalen Produkte, die in der Großküche verwendet werden, ausbauen. Um eine langfristige Zusammenarbeit zu sichern - so der Tenor - müssten nicht nur die Gewinne (Ernte), sondern auch das Risiko geteilt werden. Regionale Anbieter*innen erhalten somit Planungssicherheit und eine Perspektive für ihre Existenz - und die Abnehmer*innen können auch in Zukunft regional beschaffen.


Ein mögliches Modell, das im Teilnehmendenkreis bereits ausprobiert wird: Die Großabnehmer*innen kaufen oder pachten einen Acker, planen gemeinsam mit dem landwirtschaftlichen Betrieb die Fruchtfolge und nutzen dann die geerntete Ware in ihrer Küche.


Kleinstrukturierte regionale Landwirtschaft kann teurer sein. Daher müssen alle Instanzen in der Gastronomie - ob Essensgäste bzw. die Eltern in der Kita, Betriebsrat oder Geschäftsführung - dahinterstehen und gutes gesundes Essen wertschätzen und fördern.


Vierter Halt: Hof Fleckenbühl

Eine Woche später ging es dann gemeinsam mit dem Ernährungsrat Marburg und Umgebung (EMU) zum Hof Fleckenbühl in Cölbe. Hier haben Anna-Mara Schön vom EMU, Christoph Feist von den Fleckenbühlern sowie Karl-Heinz Firsching vom Boßhammersch Hof diskutiert, welche Strukturen vor Ort für ein regionales Ernährungssystem fehlen und was es noch braucht, damit mehr regionale Produkte ihren Weg in die Außer-Haus-Verpflegung finden.


Von der Verarbeitung bis zur Lagerung regionaler Produkte

Ein Teil der Lösung: Es braucht mehr dezentrale Verarbeitungsstrukturen sowie gemeinsame Lieferstrukturen und regionale Zentrallager in ländlichen Regionen um den Absatz regionaler Produkte anzukurbeln. Jedoch gibt es Herausforderungen, die es nicht ganz einfach machen. Dazu gehören die an die Industrie angelehnten Sicherheits- und Hygienestandards, deren Einhaltung für handwerkliche Betriebe kaum stemmbar sind. Auch die Beantragung von Maßnahmen und Fördergeldern stellt sich als mühsam heraus: das Ergebnis wiegt selten den zeitlichen Aufwand auf. Was es braucht, ist eine politische Weichenstellung, die diese Vorhaben gezielter und effizienter unterstützt.


Bewusstseinsbildung als wichtiges Bindeglied der regionalen Versorgung

Hand in Hand mit der sukzessiven Anpassung des Angebots hin zu regional-verfügbaren Lebensmitteln muss eine intensive Bewusstseinsbildung bei den Essensgästen gewährleistet werden. Denn wie Anna-Mara Schön aus Studien der Hochschule Fulda berichtet, sei die generelle Motivation, sich nachhaltiger zu ernähren, vorhanden. Kommt es aber zur konkreten Entscheidung in der Kantine, wird oftmals doch das weniger nachhaltigere Angebot ausgewählt. Potential liegt darin, das gesamte Angebot in den Verpflegungseinrichtungen anzupassen, die Essensgäste an die Vorzüge der Gerichte heranzuführen und ihnen zusätzlich Inspiration für die eigene Küche mitzugeben.


Ein Positivbeispiel für eine erfolgreiche Ernährungsbildung an Schulen ist das Nah.Land.Küche-Projekt aus der Ökomodell-Region Lahn-Dill-Gießen, von dem Christiane Kappelhoff berichtete. Dabei wurden unter dem Motto “Region im Kochtopf” Bio-regionale Wertschöpfungsketten für Nudeln, Kartoffeln und Kürbisse aufgebaut und die Schüler*innen in Bildungsmodulen über die Vorzüge regionaler Lebensmittel informiert.


Das nehmen wir aus der Veranstaltungsreihe mit

Euch hat der direkte persönliche Austausch genauso gefehlt wie uns. Positivbeispiele motivieren und geben die nötige Kraft, um weiterzumachen. nearbuy sehen wir als gute Ergänzung zu Veranstaltungen wie diesen: Es macht Euch für andere Betriebe aus Eurer Region sichtbar und unterstützt die regionale Zusammenarbeit in Eurem Betriebsalltag mit hilfreichen Funktionen.


Ein Aspekt, der häufig erwähnt wurde, ist das Fehlen von bzw. die mangelnde Sichtbarkeit vorhandener Verarbeitungsstrukturen. Um die gesamte Wertschöpfung in der Region zu halten, und somit unnötige Transportwege zu Verarbeitungsbetrieben außerhalb der Region zu vermeiden, müssen bestehende Verarbeitungsstrukturen sichtbar gemacht und fehlende aufgebaut werden. Gewünscht wurde eine Übersicht, welche Verarbeitungsstrukturen in der Region vorhanden sind, und die Möglichkeit, das Verarbeitungsangebot und den Bedarf danach zu kommunizieren. Das möchten wir in Zukunft mit nearbuy möglich machen und laden alle Interessierte ein, sich an der Entwicklung zu beteiligen.


Ein weiteres Thema, das durchgehend angesprochen wurde, ist die Sicherstellung einer effizienten, kostengünstigen regionalen Logistik. Eine sinnvolle Auslastung des Lieferwagens wirkt sich positiv auf die produktbezogenen Transportkosten aus und wird durch Zusammenarbeit möglich. Damit fühlen wir uns bestärkt, an dem geplanten Marktplatz für regionale Lieferkapazitäten weiterzuarbeiten. Wenn Ihr Euch mit Ideen und Wünschen einbringen möchtet, meldet Euch bei uns.


Wir sagen Danke an alle, die dabei waren, und freuen uns auf viele weitere Veranstaltungen mit Euch.


Euer nearbuy Team

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